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     und Foto: Stefan Jahnke

 

Leseprobe - Draußen

 

Prolog

„Herr Ponath, wir kündigen das Arbeitsverhältnis hiermit fristlos. Packen Sie Ihre privaten Sachen zusammen und verlassen Sie sofort das Gebäude, sonst holen wir die Polizei!“
Da steht dieser kleine, aufgeblasene, überheblich wirkende dicke Mann im schwarzen Anzug vor mir, bibbert sichtlich innerlich beim Gedanken an meine möglichen Reaktionen und die Macht, die ich bisher im Unternehmen hatte, und lauscht dem Nachhall seiner Worte. Sein Name passt zu ihm. Ulkig. Oder wäre „Überheblich“ besser? Unterstützung hat er vom Firmenanwalt, einem – ob nun zu Recht oder zu Unrecht – sehr von sich überzeugten Mann, der zum Einen die steuerrechtlichen Dinge im Unternehmen betreut und zum Anderen glaubt, den Stein des Weisen in Bezug auf Recht und Rechtsauffassung gefunden zu haben. Immer wieder erinnere ich mich an die vielen oft stundenlangen Gespräche, in denen er mir nach dem Munde sprach und auf die eine oder andere Weise vorschlug, das sich das Unternehmen nicht um seine Mitarbeiter, sondern ausschließlich um seine Umsätze kümmern sollte. Daher ist sein Name gleichzeitig ein sehr passender Spitzname: Schadensfroh.

Innerlich muss ich über dieses Pärchen lachen, denn irgendwie erinnern sie mich an „Dick und Doof“, die berühmten Filmhelden, die mit aller Konsequenz jede Sache irgendwie vermasselten und jede Unternehmung in den Sand setzten. Einfach, weil sie glaubten, grundsätzlich alles richtig zu machen... und im Grunde gar nichts konnten.
Die beiden da vor mir sehen nicht nur so aus wie ihre Vorbilder aus der Stummfilmzeit, sondern sie tun auch noch alles dafür, ihnen ebenbürtig zu sein.
Lüstern schaut sich Ulkig in meinem Büro um, wundert sich, dass bereits eine Menge meiner privaten Dinge fehlt. Innerlich hofft er wohl, nun an meiner Stelle im bequemen Bürodrehstuhl sitzen zu dürfen. Als ob es damit getan wäre! Wie kam es denn, dass er von allen Mitarbeitern – letztendlich bis hin zu seinem Herrn und Meister, dem Geschäftsführer – abgelehnt wird? Ein großer Teil davon ist wohl durch seine unendliche Überheblichkeit und sein Händchen für grundsätzlich die falschen Dinge bestimmt worden.
Und Schadensfroh? Er mimt den Geschäftsmann, steigt auf meine ruhige Art ein, pflichtet mir bei, als ich von Ruhe, Zukunft und davon spreche, dass jedes Ende ein neuer Anfang ist. Verdutzt und still nimmt er entgegen, als ich sage: „Man sieht sich meist zweimal im Leben – und in der Regel sind dann beim zweiten Mal die Seiten und Machtverhältnisse vertauscht!“

Ich bewahre die Ruhe, nehme das neunseitige Kündigungsschreiben entgegen und quittiere den Empfang, übergebe meine Schlüssel und eine seit einigen Tagen geführte Liste meines noch im Büro verbliebenen Privateigentums, nehme meinen Aktenkoffer, die Familienbilder, trinke meinen Tee aus und gehe.
Wie einen Schwerverbrecher begleitet man mich noch bis zum Fahrstuhl, schaut von oben zu, wie ich in meinen Wagen steige und abfahre. Ich fahre vom Hof, ein paar Querstraßen weiter. Nur fort von hier. Ich halte an und hole erst einmal tief Luft. Eine Ära geht zu Ende.

Wie geht man nun mit solch einer Situation um? Fast acht Jahre war ich hier beschäftigt. Mir gehört ein kleiner Teil des Unternehmens. Als zweiter Mann an der Unternehmensspitze und bisher gehandelter Nachfolger des Geschäftsführers wäre solch eine Situation vor nur acht Wochen undenkbar gewesen.
Doch nun ist es acht Wochen später und die Situation ist da. Innerlich habe ich es erwartet. Dass der Geschäftsführer letztendlich diesen Weg geht und mir kündigt, war nicht so schnell absehbar. Oder eher kündigen lässt, denn er überbringt seine Kündigung ja nicht selbst, scheut die direkte Konfrontation, lässt sich verleugnen und übermittelt mir seine Entscheidung durch seinen Assistenten, der mir bis eben gerade noch unterstellt war, wenn auch widerwillig.

Wie kam es dazu? Was führte in einer scheinbar guten Männerfreundschaft, die sich im Geschäftsleben fast nebenbei entwickelte, zu diesem alles beendenden Crash?
Gehen wir rund acht Jahre zurück... zum Ausgangspunkt und zum Beginn eines Spieles...

 

Kapitel 1 – Einstieg

Wir schreiben das Jahr 1999. Das letzte Jahr vor der Jahrtausendwende. Für Viele Grund für Neuorientierung, Rückblick und ein wenig Zukunftsangst.

Ich sitze meinem ehemaligen Schulleiter gegenüber, der noch vor gut drei Jahren mein Zeugnis unterschrieb, und unterhalte mich über eine mögliche Zusammenarbeit der ganz besonderen Art. Normalerweise nennt man dies „Bewerbungsgespräch“, doch ich erlebte noch nie ein solches Gespräch wie hier – egal, auf welcher Seite des Tisches – das über 4 Stunden andauert und in dem es mehr um Tagespolitik, mögliche Unternehmenswege, persönliche Befindlichkeiten sowie Positives und Negatives über Mitarbeiter und Leiter, als um eigenes Können, gegenseitige Erwartungen und so weiter ging.

Irgendwie faszinierend. Man fühlt sich von der ersten Minute schon, als gehöre man dazu. Denn... was ich in diesem Gespräch über Unternehmen, Konkurrenz und Umfeld erfuhr, hätte an anderer Stelle nicht einmal der engste Führungsstab erfahren.

Es war eine interessante Geschichte, die ich so Szene für Szene erfuhr. Es ging um Wendekriminalität in Sachsen, Insolvenzverschleppung, Neugründung einer ModernAkademie auf den Trümmern einer insolventen Weiterbildungseinrichtung in Dresden. Auch um einen Geschäftsführer, der staatliche Fördergelder, gedacht für die Berufsausbildung, in südamerikanische Staudämme, high technologische Wasserschneidanlagen und private Bedürfnisse steckte. Und um einen Geldkoffer mit mehreren Millionen Mark, der auf dem Flughafen Frankfurt leider gestohlen wurde. Ehemalige Gesellschafter wurden erwähnt, die in Nacht- und Nebelaktionen ganze Computerschulungsräume leerräumten. Es ging auch um leitende Angestellte, die hinter dem Rücken der Gesellschaft Geld, Räume und Kunden an eine mitteldeutsche Fernsehanstalt verkaufen wollten oder ihre Arbeitszeit mehr dazu nutzten, Bilder von leicht bekleideten Damen im Internet zu suchen.

Kurzum – eigentlich war es eine Geschichte zum Fürchten. Doch der Tenor des Gespräches war: „Wir können dies ändern. Wir können das Unternehmen übernehmen und wieder auf Kurs bringen. Wir können uns hier gemeinsam eine Zukunft aufbauen!“

Dr. Hans, der Schulleiter, klopfte mir auf die Schulter: „Erst einmal übernehmen Sie ab 1.1.2000 das Dienstleistungszentrum in Dresden und dann sehen wir weiter. Sie haben auf jeden Fall das Zeug dazu, sind ja hier ausgebildet, haben erste Erfahrungen in der Wirtschaft gesammelt und vor allem vor Ihrem Studium schon einen Beruf gelernt. Ich mag Leute aus der Praxis... Und so einer sind Sie.“

Ganz nebenbei wurde ein Plan zur Aufgaben- und Gehaltsentwicklung erstellt sowie vorerst Stillschweigen über alles Besprochene vereinbart. Nach viel Dank für mein Kommen und Lobeshymnen auf das, was wir gemeinsam erreichen werden, waren geschlagene viereinhalb Stunden vergangen.

Lange Rede – kurzer Sinn. Vorschußlorbeeren.

 

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